MEINUNG
An dieser Stelle beleuchten wir gängige Begriffe aus der Logistik aus einem anderen Blickwinkel - nämlich durch die Brille von Christian Schober - "gewürzt" mit Meinung, Erfahrung und auch
Kritik. Oftmals haben die Beteiligten im Logistikgeschäft unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen über die Bedeutung einzelner Begriffe. Dieser Blog soll helfen, informieren, zum
Nachdenken anregen, aber auch Spaß machen!
Die (leider häufig erlebte) Realität:
Sehr häufig wird der Logistikvertrag „missbraucht“ um schnell noch all das als Pflicht für den Dienstleister zu verankern, was man sich vorher nicht getraut hat, in den Vorgesprächen und Verhandlungen anzusprechen.
Leider hat sich herausgestellt, dass – je nach Branche und Herkunftsland des Auftraggebers – mit der Größe des Unternehmens häufig die Einseitigkeit des Logistikvertrages zunimmt. Tendenziell in Konzern-strukturen mehr als in mittelständischen Unternehmen. Deutlich mehr Pflichten als Rechte, nicht einhaltbare Voraussetzungen, nicht von Rechtsvorschriften getragene „Strafen“ und vieles mehr kennzeichnen solche „Verträge“. Im Extremfall handelt es sich um Knebelverträge. Darüber hinaus scheint es eine erhebliche Dunkelziffer von Verträgen zu geben, die in Ihrer schlechten, einseitigen Qualität nur deshalb nicht auffallen, weil eine Prüfung beim Dienstleister nicht stattgefunden hat oder der Ernstfall noch nie eingetreten ist.
Indizien für „schlechte, einseitige“ Verträge:
Wer nichts zu verbergen hat und den Dienstleister nicht benachteiligen möchte, wird seinen Vertragsvorschlag sehr früh offenlegen, wird der Vertragstext während der Verhandlungen hingegen wie ein „Geheimnis“ behandelt oder die Vorstellung des Texts immer wieder verschoben oder verzögert ist das ein sehr schlechtes Zeichen. Vorsicht ist auch geboten, wenn der Vertrag überdimensioniert ist; obwohl dies immer eine Einzelfallbetrachtung ist, kann man bspw. mit einem 30-40 seitigen Vertrag (auch bei Kontraktlogistikthemen, ggf. mit Personalübergang) und den wichtigsten Anlagen zurechtkommen.
100-Seiter, die in Ihrer Erstellung ebenso mehrere 10T€ kosten und für deren professionelle Prüfung durch die „Gegenseite“ und die damit zusammenhängenden Nachverhandlungen nochmals 30 - 50% dieses Betrages zu veranschlagen sind, sind aber leider auch keine Seltenheit. Vorsicht ist auch dringend geboten, wenn Ihnen der Logistikvertrag nicht in Ihrer Sprache/Wunschsprache zur Verfügung gestellt wird, oder für die Prüfung zu enge Termine gesetzt werden.
Ein Tipp für eine gute Vertragsgestaltung:
Bauen Sie auf Bestehendes auf: nutzen Sie Vorlagen von Kollegen, Verbänden, Fachberatern o.ä. die schon einmal für einen ähnlichen Fall ausgearbeitet wurden. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden.
Auch erfahrene Logistiker stellen oft einen bewährten Vorschlag zur Verfügung, den man nur noch anpassen muss.
Versuchen Sie nicht alles zu regeln und nicht jede kleinste Verfehlung zu bestrafen – die Regulierungswut schafft kein gutes Klima für eine Zusammenarbeit, erzeugt schnell das Gefühl benachteiligt worden zu sein und vernichtet Kreativität an der Wurzel. Und denken Sie bitte daran: wer sich gegenseitig als Auftraggeber einerseits und Lieferant andererseits sieht und benimmt, kann nicht gleichzeitig gemeinsam einen partnerschaftlichen Vertrag mit Wertschätzung ausarbeiten.
Auch hier gilt:
„Was du nicht willst, das man dir tu', das füg auch keinem andern zu."
In diesem Sinne, viel Erfolg und alles Gute. Christian Schober
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